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  • AutorenbildSebastian

Die Frage nach dem "Warum"

Kann sein, dass ich mal wieder eine "melancholische Phase" habe, oder eine "depressive Episode", wie es so schön heißt. Ich hatte in einem meiner Beiträge schon geschrieben, dass ich eher der Beobachter bin und denke vieles wahrzunehmen und in Zusammenhang zu bringen. So drängen sich mir in letzter Zeit wieder verschiedene Gedanken auf.

Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass der Ton allgemein rauher wird. Dass viele Menschen am Rande ihrer Belastbarkeit sind, ohne das selbst bewusst wahrzunehmen. Es reicht eigentlich ein kleiner Funke, der die Bombe zündet - danach ist nur noch die Frage übrig, wie lange die Lunte bis zur Explosion brennt oder wann der Trupp zum entschärfen kommt. Allerdings sehe ich den Entschärfungstrupp nicht. Nicht in der Gesellschaft und auch nicht in der Politik. Wo Licht ist, ist auch Schatten.

Der lange Schatten eines alten Briefkastens an einer Hauswand in schwarz weiß
wo-licht-ist-ist-auch-schatten

Die Situation ist für uns alle keine leichte: Corona, Wetter, steigende Kosten, weniger Freizeit, kaum Ausgleich. Probleme, die vorher keine Waren oder zumindest nicht als solche gesehen wurden deckt Corona gnadenlos auf. Klimapolitik, Digitalisierung, die Armutsschere, das Bildungssystem. All das steht plötzlich auf dem Prüfstand und erweist sich als wenig Krisenfest, ja sogar wenig zukunftssicher.

Um mal ein Beispiel zu nennen: Es wurde die Maskenpflicht verordnet. FFP2 -oder OP-Masken. Ich will hier gar nicht über Sinn oder Unsinn philosophieren, sondern einfach mal meine - hoffentlich - differenzierte Sicht auf die Dinge mitteilen. Besonders vulnerable Gruppen von Menschen erhalten Berechtigungsscheine zum beinahe kostenlosen Erwerb von FFP2 Masken. Zuzahlung 2 Euro. Insgesamt berechtigen diese Scheine zum vergünstigten Erwerb von insgesamt -Stand jetzt- 12 Masken. Ist erstmal nichts gegen einzuwenden. Jetzt ist es aber so, dass ich in einem Bereich arbeite, in dem leider sehr viele Menschen zu den vulnerablen Gruppen zählen und einfach sehr wenig Geld zur Verfügung haben. Insofern begrüße ich durchaus die Rechtsprechung, dass diese Menschen mit ALG II 20 Masken pro Wochen bekommen sollen, kostenlos. Das hilft diesen Menschen enorm sich und/oder andere adäquat zu schützen.


Ich bekomme aber auch mit, dass viele Menschen der Ansicht sind, 20 Masken pro Woche sei zumindest eine "seltsame" Rechnung. Das ist sie durchaus. Leider konnte ich keine Entsprechende Aufstellung der Kosten finden, weder wie man auf 20 Masken kommt, noch in welchem Zeitraum diese benutzt werden sollen. Die deutsche gesetzliche Unfallversicherung beispielsweise schildert die richtige Anwendung so:

Der klare geradlinige Schatten von Balken auf einer Hauswand
Fotografie_wolfenbuettel_schwarz-weiß-schatten

"FFP2-Masken sind für den Einsatz bei der Arbeit gedacht“, sagt Paszkiewicz. „Deshalb gelten nicht nur strenge Zulassungs- und Überwachungsanforderungen für diese Produkte, sondern auch besondere Nutzungsregeln [...]"

"Diese Forderungen entsprechen den Bedingungen am Arbeitsplatz, wo von körperlich anstrengenden Tätigkeiten teils über den kompletten Arbeitstag hinweg ausgegangen werden muss. Deshalb fordert der Gesetzgeber für den professionellen Einsatz zunächst eine individuelle Gefährdungsbeurteilung. Ihr Ergebnis entscheidet über die anschließenden Maßnahmen und hat zur Erholung maskenfreie Arbeitszeit im Blick. Die geltende Arbeitsschutzregel empfiehlt für partikelfiltrierende Halbmasken ohne Ausatemventil eine Tragedauer von 75 Minuten mit einer anschließenden Erholungsdauer von 30 Minuten." (FFP2-Masken richtig benutzen. Forschungsinstitut der gesetzlichen Unfallversicherung gibt Hinweise. DGUV 2021. o.A. o.S. Link)


Nun ist es ja in der Mehrzahl der Fälle so, abgesehen von sogenannten Aufstockern, dass diese Menschen keiner Arbeit nachgehen. Offensichtlich ist also die Empfehlung für das korrekte Tragen dieser Masken an einem erwerbstätigen Menschen ausgerichtet. Natürlich sollten auch nicht erwerbstätige Menschen die Möglichkeit haben, sich zu schützen, keine Frage. Dies bekräftigt aber die Frage nach einer Berechnung oder einer Aufstellung.

Gehen wir jetzt einfach mal von einer erwerbstätigen Person mit einer 35 Stunden Woche aus. Das macht am Tag 7 Stunden reine Arbeitszeit plus 30 Minuten Pause. Folgt man der Empfehlung der DGUV, bedeutet das, dass ich pro Tag mindestens 5,6 Masken bräuchte, wenn ich die Tragepause von 30 Minuten ignoriere. Macht in der Woche dann 28 Masken.


"Ja, eben!", werden jetzt einige sagen. "Und wir müssen uns die selbst kaufen oder was, obwohl oder gerade weil wir arbeiten?!- Dafür werden wir auch noch bestraft!!" Ich kann diesen Aufschrei durchaus verstehen. Irgendwie scheint da die Relation zu fehlen. Warum und wodurch kann ich mir auch nicht erklären, aber sie fehlt offenbar. Und genau hier denke ich mir: Was ist bloß passiert?


Auf der einen Seite gehen wir arbeiten und verdienen hart unser Geld, damit wir unseren Lebensunterhalt sichern. Wir kaufen uns diese Masken selbst, wenn der Arbeitgeber sie nicht oder in nicht ausreichendem Maß zur Verfügung stellt, wollen wir der eben genannten Empfehlung folgen. Auf der anderen Seite verweigern wir indirekt anderen Menschen, die nicht arbeiten eine so hohe Anzahl von Masken, die durch Steuergelder ihren Lebensunterhalt bestreiten (müssen). Die Frage für mich ist: Warum?

Eine Steinwand die aussieht, als würde das weiße Wasser auf die schwarze Küste treffen
Schwarz-.Weiß_Fotografie-Wolfenbüttel

Haben wir, nur weil wir arbeiten oder die Möglichkeit haben zu arbeiten, einen höheren Anspruch auf Schutz unserer Gesundheit? Anstatt laut aufzuschreien, weil "ärmere" Menschen 20 Masken bekommen und wir das ungerecht finden, könnten wir genauso gut an unsere Arbeitgeber oder die Politik herantreten und das gleiche für uns fordern, unabhängig davon, ob man erwerbstätig ist oder nicht.

Was ich damit sagen will: Wir müssen nicht diejenigen, die eh schon einen schlechteren Status haben als wir auch noch von oben eins mitgeben. Stattdessen könnten wir uns dafür einsetzen, dass alle gleich behandelt werden. Unabhängig von Arbeit, Status, Geld oder Stellung in der Gesellschaft. Anstatt zu sagen: "Die brauchen das nicht, die gehen ja eh nicht arbeiten" könnten wir auch sagen:" Liebe Politiker, liebe Gerichte, wir würden gerne für jeden Menschen den gleichen Ansatz wählen und jedem Menschen den gleichen Schutz ermöglichen, also gebt uns doch bitte auch Masken, denn ihr habt das verordnet". Aber das tun wir nicht. Wir zeigen auf andere, die scheinbar mehr haben, mehr bekommen, mehr beachtet werden.


Die Frage, die für mich bleibt, ist: Warum? Warum bringen wir diese Fragen nicht an geeigneter Stelle an anstatt sie denen zu stellen, die diese Entscheidung nicht getroffen haben? Warum sind wir nicht in der Lage, das Gespräch zu suchen? Warum machen wir unserem Ärger in den Sozialen Medien Luft und nicht in Form einer Petition, einer Anfrage, eines Briefs? Warum wird so intransparent entschieden und verordnet? Warum muss es immer Schwarz und Weiß sein? Warum nur entweder oder?


Ich weiß, dass auch dieser Beitrag durchaus polarisieren kann, aber ich finde die Frage nach dem Warum nicht nur hier sehr wertvoll. Durch ein einziges Warum und einem halbwegs intensiven Nachdenken lassen sich viele (verborgene) Gedanken finden, die einem so noch nicht bewusst waren. Einige dieser Gedanken könnten so manche Meinung oder Einstellung ein Stück weit revidieren oder zumindest relativieren. Vielleicht findet ihr ja bei der Frage nach dem Warum auch etwas Neues. Ich jedenfalls werde fündig, auch wenn es mir nicht immer gefällt.


LG Sebastian


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